Abstandsflächenrecht in Brandenburg
nach der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) in der Neufassung vom 17. September 2008
zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2010 (GVBl.I/10, Nr. 14)
außer Kraft getreten am 1. Juli 2016
Einführung
Seit etwa 1998 stagniert in Brandenburg der Markt für Baugrundstücke. In den Gebieten außerhalb des engeren Verflechtungsraumes Berlin-Brandenburg ist sogar eine stark rückläufige Tendenz zu verzeichnen (siehe aktuellen Grundstücksmarktbericht des oberen Gutachterausschusses). Die Neuerschließung von Baugebieten wird daher für Bauträger zunehmend unattraktiver, sind sie doch immer mit hohen Vorlaufkosten durch unausgenutzte Erschließungsanlagen verbunden.
Potentielle Bauherren weichen zunehmend in bereits erschlossene Gebiete im Innenbereich (§34 BauGB) aus. Oft finden sich hier vollerschlossene Grundstücke zu wesentlich günstigeren Konditionen. Die Verdichtung des Innenbereichs liegt auch im Interesse der Kommunen, werden doch dadurch die vorhandenen Erschließungsanlagen intensiver ausgenutzt. Daher gewinnt das Abstandsflächenrecht bei der städtebaulichen Planung zunehmend an Bedeutung, nimmt doch beim Bauen im Innenbereich der Abwägungsvorgang eine zentrale Rolle ein.
Abstandsflächen haben vor allem eine nachbarschützende Wirkung. Sie sollen eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung der Aufenthaltsräume sichern und dazu beitragen, den sozialen Frieden zwischen den Nachbarn zu wahren. Daher bezeichnet man die Abstandsflächen auch als den notwendigen Sozialabstand.
Mit der neuen Brandenburgischen Bauordnung vom 16. Juli 2003 ist die Berechnung der Abstandsflächen völlig neu geregelt. Die Vorschriften wurden eindeutiger gefasst und viele Sonderegelungen zugunsten einer Generalklausel getilgt.
Mit dem Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung vom 14. Juni 2008 wurde der Umgang mit Garagen und Carports weiter flexibilisiert.
Das Brandenburgische Abstandsflächenrecht soll im folgenden vorgestellt und anhand von Beispielen illustriert werden.
Inhalt
- Allgemeine Regelungen
- Die Bagatellregelung
- Rechtliche Sicherung von Grenzüberschreitungen
- Überdeckungsverbot
- Abstandsflächenberechnung
- Privilegierte Wohngebäude geringer Höhe
- Abstandsflächen untergeordneter Bauteile
- Bemessung der Abstandsflächentiefe
- Privilegierte Nebengebäude
- Änderung von Gebäuden
- Abstandsflächen von Windkraftanlagen
- Zulassung von Abweichungen
- Abstandsflächen bei Grundstücksteilungen
- Das Fenster- und Lichtrecht des Nachbarrechts
Allgemeine Regelungen
BbgBO §6 (1) Satz 1: Vor den Außenwänden von Gebäuden sind Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten.
Grundsätzlich gilt, dass Abstandsflächen von allen Seiten eines Gebäudes zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen und zu weiteren Gebäuden freigehalten werden müssen. Die freigehaltenen Flächen (Abstandsflächen) müssen grundsätzlich auf dem Baugrundstück selbst liegen und dürfen in der Regel nicht von Abstandsflächen anderer Gebäude überdeckt werden (Überdeckungsverbot).
Der einzuhaltende Abstand eines Gebäudes zu den Grenzen von nichtöffentlichen Grundstücken wird auch Bauwich genannt.
BbgBO §6 (1) Satz 2: Eine Abstandsfläche ist nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder darf.
Abstandsflächen sind nicht erforderlich, wenn das Bauwerk mit seiner Außenwand direkt an der Grundstücksgrenze errichtet werden darf oder muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Bebauungsplan Doppelhäuser oder Reihenhäuser bzw. eine Blockbebauung (geschlossene Bauweise) vorsieht.
Auch im unbeplanten Innenbereich (§34 BauGB) kann oder muss ein Gebäude ohne Abstandsfläche an der Grundstücksgrenze errichtet werden, wenn diese Bauweise in der näheren Umgebung vorwiegt.
Soweit bauplanungsrechtlich eine Grenzbebauung zwar erlaubt, aber nicht vorgeschrieben ist, steht dem Bauherrn ein Wahlrecht zu, ob er an die Grenze anbaut oder die sich ergebende Abstandsfläche einhält. Das Wahlrecht kann im Regelfall nur von beiden Grundstücksnachbarn gemeinsam ausgeübt werden, es ist eine Einigung beider Grundstücksnachbarn über die Art der Bebauung bezüglich der Grundstücksgrenze erforderlich. Kann keine Einigung über einen gemeinsamen Grenzanbau erzielt werden, ist die Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze einzuhalten.
Soll nur für einen Teil des zu errichtenden Gebäudes eine zulässige Grenzbebauung in Anspruch genommen werden, haben die übrigen Gebäudeteile den sich aus der Abstandsfläche ergebenden Grenzabstand einzuhalten.
BbgBO §6 (2) Satz 1: Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen.
Somit dürfen die Abstandsflächen des zu errichtenden Gebäudes die Grenzen des Baugrundstücks nicht überschreiten. Mit Ausnahme der im folgenden Satz genannten öffentlichen Verkehrs-, Grün- oder Wasserflächen gilt dies natürlich auch für Grundstücksgrenzen an (noch) nicht bebaubaren Flächen, zum Beispiel land- oder forstwirtschaftlichen Nutzflächen.
BbgBO §6 (2) Satz 2: Die Abstandsflächen dürfen auch auf öffentlichen Verkehrsflächen, öffentlichen Grünflächen oder öffentlichen Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte.
Auf Flächen, die durch Satzung zur öffentlichen Verkehrs-, Grün- oder Wasserfläche gewidmet sind, dürfen sich die Abstandsflächen eines Bauwerks bis zu maximal deren Mitte erstrecken. Damit ist auch sichergestellt, dass die Abstandsflächen sich gegenüberliegender Bebauungen nicht überdecken.
Die Bagatellregelung
BbgBO §6 (2) Satz 3: Eine geringfügige Erstreckung von Abstandsflächen auf das Nachbargrundstück mit einer Breite von nicht mehr als 4 m und einer Tiefe von nicht mehr als 1 m, höchstens jedoch einer Fläche von insgesamt nicht mehr als 2 m², ist zulässig.
Abb. 4a Maximalwerte für zulässige geringfügige Überschreitung
Mit dieser Regelung wird innerhalb der angegebenen Grenzwerte eine geringfügige Überschreitung der Grundstücksgrenze zum Nachbarn möglich. Eine rechtliche Sicherung ist nicht notwendig. In der Regel wird dies Abstandsflächen betreffen, die an Giebelwänden oder durch Dachaufbauten entstehen (hierzu später mehr) oder durch Überschreitungen, die aufgrund einer schräg zum Gebäude verlaufenden Grenze entstehen.
Die Bagatellregelung kann auch für die Mindestabstandsflächen von 3 m (Abs. 5 Satz 2) in Anspruch genommen werden.
Abb. 4b Bagatellregelung auch bei Mindesabstandsflächen vom 3 m
Die Bagatellregelung ist nicht im Falle von Abs. 6 (privilegierte Wohngebäude) anwendbar. Die beiden Privilege schließen sich gegenseitig aus. Der Bauherr muss für das jeweilige Vorhaben entscheiden, welche Abstandsflächen er nachweist, er darf die für das Bauvorhaben günstigere Variante der Abstandsflächenberechnung wählen.
Abb. 4d ... oder zulässige geringfügige Überschreitung von Abstandsflächen auf das Nachbargrundstück
Das Stückeln der Bagatellfläche ist ebenso zulässig, wie die Inanspruchnahme zu mehr als einem Nachbarn. Jede die Grundstücksgrenze überschreitende Fläche darf die Maximaltiefe von 1 m und die Maximalbreite von 4 m nicht überschreiten. Jedes Nachbargrundstück darf mit maximal 2 m² in Anspruch genommen werden.
Abb. 4e Zulässige mehrfache Inanspruchnahme der Bagatellfläche
Soweit eine auf das Nachbargrundstück fallende Abstandsfläche die nach Satz 3 zulässigen Maximalwerte überschreitet, ist die gesamte in Anspruch genommene Fläche des Nachbargrundstücks nach dem im Folgenden beschriebenen Verfahren rechtlich zu sichern.
Rechtliche Sicherung von Grenzüberschreitungen
BbgBO §6 (2) Satz 4: Abweichend von Satz 1 dürfen sich Abstandsflächen ganz oder teilweise auf ein Nachbargrundstück erstrecken, wenn rechtlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden und sich nicht mit anderen Abstandsflächen überdecken.
Die rechtlichen Sicherung geschieht durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit in das Grundbuch des Nachbarn, natürlich nur mit seiner Genehmigung. Das dienende Grundstück (hier das linke unbebaute) tritt zugunsten des herrschenden Grundstücks (hier dem rechten bebauten) vom Recht zurück, die bezeichnete Fläche durch ein eigenes Gebäude oder eine Abstandsfläche zu nutzen. Dem dienenden Grundstück geht diese Fläche als überbaubare Grundstücksfläche verloren. In der Regel wird von den beteiligten Grundstückseigentümern ein einmaliger finanzieller Ausgleich oder eine Rentenzahlung für die Gewährung des Rechts vereinbart.
Zusätzlich zur Grunddienstbarkeit wird in das Grundbuch des dienenden Grundstücks eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Landkreises oder der kreisfreien Stadt eingetragen. Damit wird sichergestellt, dass die Einhaltung der Abstandsfläche seitens der Bauordnungsbehörde durchgesetzt werden kann, auch wenn die Grunddienstbarkeit durch die beiden beteiligten Grundeigentümer zum späteren Zeitpunkt gelöscht wird.
Die Bauordnungsbehörde wird im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens soweit notwendig lediglich die Bestellung einer beschränkt persönliche Dienstbarkeit fordern. Diese dient ausschließlich zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Forderungen. Der Bauherr ist gut beraten, wenn er zusätzlich seine privaten Rechte durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit sichert. Die Bauordnungsbehörde wird Rechte aus der beschränkt persönliche Dienstbarkeit nur durchsetzen, wenn schützenswerte öffentlich-rechtliche Belange beeinträchtigt sind. Ansprüche aus der Grunddienstbarkeit kann der Bauherr auch zivilrechtlich durchsetzen.
Das Verfahren über die Rechtliche Sicherung durch beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und die dazu notwendigen Formulare sind im Dienstbarkeitenerlass veröffentlicht.
Überdeckungsverbot
BbgBO §6 (3) Satz 1: Die Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken; ...
Grundsätzlich dürfen sich Abstandsflächen nicht überdecken. Der zweite Teilsatz regelt die Ausnahmen:
... dies gilt nicht für
1. Außenwände, die in einem Winkel von mehr als 75° zueinander stehen,
Mit dieser Vorschrift ist die Errichtung von versetzt zueinander angeordneten Gebäuden oder der Anbau von Gebäuden über Eck möglich.
... dies gilt nicht für
2. Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen und
Das Privileg nach Nr. 2 darf allerdings nicht soweit ausgenutzt werden, dass die Außenwände auf der Abstandsfläche der gegenüberliegenden Wand zu liegen kommen.
... dies gilt nicht für
3. Gebäude und andere bauliche Anlagen, die in den Abstandsflächen zulässig sind oder gestattet werden,
Gemäß Abs. 11 sind Bauwerke nach Abs. 9 und 10 in der Abstandsfläche zulässig (dazu später mehr).
... dies gilt nicht für
4. die geringfügige Erstreckung von Abstandsflächen auf das Nachbargrundstück nach Absatz 2 Satz 3.
Gemäß Abs. 2 Satz 3 dürfen Abstandsflächen geringfügig die Grundstücksgrenze überschreiten, soweit die festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. Die hier getroffene Regelung stellt klar, dass sich die zulässige geringfügige Grenzüberschreitung auch mit der Abstandsfläche des Nachbargebäudes überdecken darf. Dem Nachbarn entstehen somit keine Einschränkungen bezüglich der baulichen Ausnutzbarkeit seiner Grundstücksfläche.
Abstandsflächenberechnung
BbgBO §6 (4) Satz 1-3: Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum oberen Abschluss der Wand. Die Schnittlinie der Außenfläche der Wand mit der Dachhaut gilt als oberer Abschluss der Wand. Bei gegenüber der Außenwand vor- oder zurücktretenden Bauteilen gilt die Höhe des oberen Abschlusses des Bauteils über der Geländeoberfläche als Wandhöhe.
Maßgeblich ist die Höhe des jeweiligen Wandabschnitts über dem Gelände. Dabei ist es unerheblich, ob sich unterschiedliche Wandhöhen aufgrund einer geneigten Dachflächen oder Geländeoberfläche ergeben.
Als unterer Bezug für die Ermittlung von Abstandsflächen, die in Richtung Nachbargrenze weisen, ist die ursprüngliche natürliche Geländeoberfläche maßgeblich. Auch eine mit der Baugenehmigung genehmigte Geländeveränderung hat keinen Einfluss auf die Bezugshöhe für die Berechnung dieser Abstandsflächen, da eine Manipulation zu Lasten des Nachbarn unzulässig ist.
Die ursprüngliche Geländeoberfläche wird in dem von einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur gefertigten Amtlichen Lageplan, der Bestandteil der zu genehmigenden Bauvorlagen ist, nachgewiesen.
Ist in einem Bebauungsplan die zukünftige Geländeoberfläche festgesetzt, gilt diese als Bezug für die Berechnung von Abstandsflächen.
In Gebieten ohne festgesetzte Geländeoberfläche gilt eine genehmigte veränderte Geländeoberfläche als Bezug für lediglich die Abstandsflächen, die nicht in Richtung der Nachbargrenze weisen, die also ausschließlich die Abstände der Gebäude auf dem Baugrundstück selbst bestimmen.
BbgBO §6 (4) Satz 4+5: Bei gestaffelten Wänden, bei Dächern oder Dachaufbauten sowie bei vor die Außenwand vortretenden Bauteilen oder Vorbauten ist die Wandhöhe für den jeweiligen Wandabschnitt, Dachaufbau, Vorbau oder das jeweilige Bauteil gesondert zu ermitteln. Das sich ergebende Maß ist H.
Zur Bemessung der Abstandsfläche ist die Wandhöhe des Gebäudes zu bestimmen. Für Bauteile, die nicht mit einer bis zur Geländeoberfläche reichenden Wand abschließen, ist eine fiktive Wandhöhe zu ermitteln. Das betrifft insbesondere den Dachfirst und Dachaufbauten. Bei gestaffelten Wänden ist eine Bestimmung der Wandhöhe und der daraus folgenden Abstandsfläche für jeden Punkt des oberen Gebäudeabschlusses möglich. Überlagern sich Abstandsflächen, so ist die größte ermittelte Abstandsflächentiefe für die Bestimmung der einzuhaltenden Abstandsfläche maßgebend.
BbgBO §6 (5) Satz 1: Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt 0,5 H, mindestens 3 m.
Zur Konstruktion der Abstandsfläche sind die jeweiligen Wandhöhen mit 0,5 zu multiplizieren und rechtwinklig zum Wandabschnitt abzutragen. Da das Mindestmaß einer Abstandsfläche in jedem Fall 3 m beträgt, ergibt sich die Abstandsfläche aus der Verschneidung des Abbildes der Wand und der 3 m tiefen Mindestfläche.
BbgBO §6 (5) Satz 2+3: Vor Außenwänden ohne Fenster für Aufenthaltsräume beträgt die Tiefe der Abstandsflächen 0,4 H, mindestens 3 m. In Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten, die nicht der Erholung dienen, beträgt die Tiefe der Abstandsflächen 0,25 H, mindestens 3 m.
Gemäß Satz 2 erzeugen fensterlose Außenwände eine verringerte Abstandsfläche von 0,4 H. Diese Regelung begünstigt aber auch Wände vor Räumen, die keine Aufenthaltsräume sind, z.B. Treppenräume, Flure, Abstellräume, Schuppen oder Garagen. Dabei ist es unerheblich, ob diese Räume Fensteröffnungen haben.
In Gewerbe-, Industrie- und nicht der Erholung dienenden Sondergebieten beträgt die Tiefe der Abstandsflächen lediglich ein Viertel der maßgeblichen Gebäudehöhe, da hier der nachbarschützenden Wirkung der Abstandsflächen ein geringeres Gewicht beizumessen ist. An Grenzen von Baugebieten mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten ist von dem Bemessungsfaktor auszugehen, der die größere Tiefe der Abstandfläche bewirkt. Dies gilt auch für gegenüberliegende Baugebiete, die lediglich durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt sind.
BbgBO §6 (5) Satz 4: Bestimmt eine örtliche Bauvorschrift nach §81 eine geringere oder größere Tiefe der Abstandsflächen, so gilt diese Tiefe.
Hierzu die entsprechende Vorschrift:
BbgBO §81 (2) Die Gemeinde kann durch örtliche Bauvorschriften andere als die nach §6 Abs. 5 vorgeschriebenen Abstandsflächen festsetzen. Die Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen und die Höhe der baulichen Anlagen müssen so bestimmt sein, dass die nach §6 zu berücksichtigenden nachbarlichen Belange abgewogen werden können. Eine geringere Tiefe der Abstandsflächen darf insbesondere zur Wahrung der erhaltenswerten Eigenart und zur städtebaulichen Gestaltung eines bestimmten Ortsteiles festgesetzt werden.
Enthalten örtliche Bauvorschriften zwingende Festsetzungen über geringere oder größere Tiefen von Abstandsflächen, dann gehen diese Festsetzungen den allgemeinen Regeln kraft Gesetzes vor.
Ein Beispiel für eine Abstandsflächensatzung:
- westliche Seite der Kirchstraße von Marktstraße bis Bahnhofstraße 0,35 H
- ...
Privilegierte Wohngebäude geringer Höhe
BbgBO §6 (6): Vor den Außenwänden von Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei oberirdischen Geschossen und nicht mehr als 9 m Gebäudehöhe genügt als Tiefe der Abstandsfläche 3 m. Absatz 2 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
Die Sonderegelung nach Absatz 6 bringt eine wesentliche Vereinfachung der Abstandsflächenberechnung, genügt doch der überwiegende Teil der Bauvorhaben in Brandenburg den hier formulierten Anforderungen. Die Abstandsflächen reduzieren sich grundsätzlich auf die Mindesttiefe von 3 m, ein besonderer Nachweis ist für diese Gebäude nicht zu erbringen.
Die maximale Bauhöhe des Gebäudes darf, wie in Abbildung 15 zu ersehen ist, nicht mehr als 9 m betragen, wenn die pauschalisierende Regelung des Absatzes 6 in Anspruch genommen werden soll. Das Gebäude darf aus nicht mehr als zwei oberirdischen Geschossen bestehen, ein ausbaufähiges Dachgeschoss ist dabei anzurechnen.
Auch kann das Privileg des Abs.2 Satz 3 einer geringfügigen Erstreckung von Abstandsflächen auf das Nachbargrundstück nicht in Anspruch genommen werden. Die nach Abs.6 reduzierten Abstandsflächen müssen auf dem eigenen Grundstück zu liegen kommen.
Abstandsflächen untergeordneter Bauteile
- Pfeiler, Gesimse und Dachüberstände und andere Bauteile, die nicht mehr als 1 m vor die Außenwand vortreten,
- Stufen, Podeste und Überdachungen vor Hauseingängen, die nicht mehr als 1,5 m vor die Außenwand vortreten.
- untergeordnete Vorbauten, wie
- Wintergärten mit nicht mehr als 5 m Breite, wenn sie über nicht mehr als zwei Geschosse reichen und nicht mehr als 3 m vortreten,
- Balkone mit nicht mehr als 5 m Breite, wenn sie nicht mehr als 2 m vortreten,
- andere Vorbauten mit nicht mehr als 3 m Breite, wenn sie über nicht mehr als zwei Geschosse reichen und nicht mehr als 1 m vortreten,
- an bestehenden Gebäuden nachträglich angebrachte Außenwandverkleidungen, die dem Wärmeschutz dienen.
Privilegierte untergeordnete Bauteile, wie Pfeiler, Gesimse und Dachüberstände wirken sich auf die Tiefe der notwendigen Abstandsflächen dann nicht aus, wenn sie nicht mehr als 1 m vor die Außenwand vortreten. Stufen, Podeste und Überdachungen vor Hauseingängen sind dann für die Abstandsflächenberechnung unbeachtlich, wenn sie nicht mehr als 1,5 m aus der Wandfläche hervortreten. Ebenso wirkt sich eine nachträglich an ein Bestandsgebäude angebrachte Wärmeschutzverkleidungen nicht auf die Berechnung der Abstandsfläche aus.
Untergeordnete Vorbauten sind zusätzlich zu den Maximaltiefen auch in der Breite beschränkt, wenn sie sich als privilegierte Bauteile nicht auf die Bemessung der Abstandsfläche auswirken sollen. Neben den maximalen einzelnen Breiten darf die Gesamtbreite des für Vorbauten benutzten Wandabschnitts nicht mehr als ein Drittel der gesamten Wandbreite betragen. Als Vorbauten gelten Gebäudeteile, die typischerweise den Vorbauzweck erfüllen, wie zum Beispiel Balkone, Erker, Loggien, Schaufenster oder Türvorbauten.
Auch Wintergärten gelten als Vorbau, wenn sie nur selbständig benutzbar sind und nicht die dahinterliegenden Räume funktional erweitern. Hierauf ist besonderes Augenmerk zu legen, da modern errichtete Wintergärten in der Regel nicht in ihrer ursprünglichen Bedeutung, der Überwinterung von Pflanzen dienend, sondern als Aufenthaltsraum errichtet werden und damit nicht als untergeordnetes Bauteil im Sinne des Absatzes 7 gelten.
Alle untergeordneten Bauteile und Vorbauten müssen zu der Grundstücksgrenze oder zu Abstandsflächen anderer Gebäude einen Mindestabstand von 2 m einhalten.
Bemessung der Abstandsflächentiefe
BbgBO §6 (8) Die Tiefe der Abstandsfläche wird von dem lotrecht unter dem oberen Abschluss der Wand, des Wandabschnitts, des Daches, des Dachaufbaus, des Vorbaus oder des jeweiligen Bauteils liegenden Fußpunkt im rechten Winkel zum Verlauf der Wand und in horizontaler Richtung gemessen.
Im obigen Beispiel (Abb.16) ergeben sich an der Traufseite 3 Abstandsflächen. Die Abstandsfläche A1 ergibt sich aufgrund der Wandhöhe von 8 m. Diese wird um den Faktor 0,5 reduziert und rechtwinklig und horizontal zum Fußpunkt der Wand abgetragen. Die Dachgaube erzeugt die Abstandsfläche A2. Die Firsthöhe der Gaube von 12 m wird wiederum um den Faktor 0,5 reduziert. Die dabei entstehende Tiefe von 6 m wird von dem Fußpunkt der Gaube aus abgetragen, dieser liegt hier im Gebäude. Die Abstandsfläche A2 geht hier fast vollständig in der Abstandsfläche der Traufwand auf, nur die Spitze ragt darüber hinaus. Auch der Dachfirst des Krüppelwalmdachs erzeugt eine Abstandsfläche an der Traufseite. Die auf 6,75 m reduzierte Höhe wird vom Lotpunkt des Firstes abgetragen. Die daraus resultierende Abstandsfläche A3 liegt vollständig in der Abstandsfläche A1.
Die Abstandsfläche A2 wäre ein typischer Fall für eine zulässige geringfüge Überschreitung der Abstandsfläche über die Grundstücksgrenze nach Abs.2 Satz 3.
Das Gebäude aus obigen Beispiel (Abb.16) kann also in einem Abstand von 4 m (Tiefe der Abstandsfläche A1) zur Grundstücksgrenze errichtet werden. Die Abstandsfläche A2 entfaltet, da sie die maximal zulässigen Werte von B < 4 m, T < 1 m und A < 2 m² unterschreitet, für die Anordnung des Gebäudes zur Grundstücksgrenze keine Wirkung.
BbgBO §6 (9) Für bauliche Anlagen, andere Anlagen und Einrichtungen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gelten die Absätze 1 bis 8 entsprechend. Stützmauern und geschlossene Einfriedungen mit nicht mehr als 2 m Höhe sind ohne Abstandsflächen unmittelbar an der Grundstücksgrenze zulässig.
Baulichen Anlagen, die zwar nicht die Begriffsdefinition von Gebäuden erfüllen, aber von denen eine Wirkung bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung wie von Gebäuden ausgeht, sind ebenfalls nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 8 zu behandeln. Zu den baulichen Anlagen können Hochbassins, Siloanlagen, aber auch Mauern, Wälle, Aufschüttungen, Plakattafeln, Werbeaufsteller, Warenautomaten gehören, soweit sie eine Höhe von 2 m überschreiten. Für Terrassen, die höher als 1 m sind, gelten ebenfalls die Regeln des Abstandsflächenrechts, ein Geländer bleibt bei der Berechnung der Terassenhöhe unberücksichtigt.
Wirkungen wie von Gebäuden können ebenfalls ausgehen von Hundezwingern und Volieren, für Pergolen, Spielgeräte, ebenerdigen nicht überdachten Stellplätze, Freisitze und Schwimmbecken wird eine gebäudeähnliche Wirkung im Regelfall verneint. Die Beurteilung solcher Anlagen ist stets an den besonderen Umständen des Einzelfalls auszurichten. Regelmäßig sind die Abstandsflächen von Funkmasten und Windenergieanlagen zu beachten.
Privilegierte Nebengebäude
BbgBO §6 (10) Garagen und Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume und mit nicht mehr als 3 m Gebäudehöhe dürfen ohne Abstandsflächen auch unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet werden (Grenzbebauung). Die entlang der Grundstücksgrenzen errichteten Außenwände dürfen insgesamt eine Länge von 15 m und entlang einer Grundstücksgrenze eine Länge von 9 m nicht überschreiten. Die Einbeziehung der Grenzbebauung unter das Dach eines Hauptgebäudes ist nicht zulässig. Feuerstätten sind in der Grenzbebauung unzulässig.
Ältere Fassungen der Bauordnung ließen die Privilegierung des Abs.10 nur zu, wenn das Gebäude unmittelbar auf der Grenze errichtet wurde. Diese Festlegung wurde mit der aktuellen Fassung fallen gelassen. Nunmehr können die betreffenden Gebäude auch von der Grundstücksgrenze abgerückt werden, ohne dass eine Abstandsfläche eingehalten werden muss.
Bauordnungen anderer Bundesländer schreiben vor, dass ein Mindestabstand einzuhalten ist, sofern von der Grundstücksgrenze abgerückt wird. Die Brandenburger Bauordnung trifft eine solche Festlegung nicht. Der Bauherr sollte aber bei der Wahl des Grenzabstandes beachten, dass der Nachbar seinerseits bis an die gemeinsame Grenze bauen darf. Ein zu gering gewählter Grenzabstand kann den Unterhalt der zum Nachbarn weisenden Wand unmöglich machen.
Der Anbau an die Grundstücksgrenze mit Garagen, Carports und Nebengebäuden ist zulässig, soweit die Maximalwerte aus Abs.10 unterschritten bleiben. Der Verlauf einer Grundstücksgrenze ist hier aus Sicht des Baugrundstücks definiert. Eine annähernd gerader Grenzverlauf des Baugrundstücks gegenüber seinen angrenzenden Grundstücken gilt als eine Grundstücksgrenze, unabhängig von der Anzahl der anliegenden Grundstücke. Die einer Grundstücksgrenze zugeordnete Grenzbebauung eines oder mehrerer Gebäude darf 9 m Länge nicht überschreiten. Die Gesamtlänge aller auf einem Grundstück errichteten Grenzbebauungen darf nicht mehr als 15 m annehmen. Im Gegensatz zu Regelungen in anderen Bundesländern ist auch eine Grenzbebauung zu öffentlichen Grundstücken bei der Berechnung der Summe anzurechnen.
Bei der Berechnung der Summe der zulässigen Grenzbebauung sind nur solche Außenwände einzubeziehen, die nach der Regelung des Absatzes 10 privilegiert errichtet wurden. Nicht mit anzurechnen sind genehmigte, planungsrechtlich zulässige Grenzbebauungen. Dabei kommt es auch nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der Grenzgebäude an. Zu der Länge der einzelnen Grenzbebauung wie auch bei der Ermittlung der zulässigen Gesamtlänge sind allerding auch die sonst vernachlässigbaren geringfügigen Dachüberstände oder Bauteile hinzurechnen, wenn sie sich in Bezug zur Grundstücksgrenze befinden.
Grundsätzlich besteht keine Anbauverpflichtung an eine auf dem Nachbargrundstück bereits bestehende Grenzbebauung, auch wenn sich diese Anordnung im Hinblick auf Belichtung und Besonnung beider nachbarlichen Grundstücke oftmals als sinnvollste Lösung ergeben dürfte. Im Regelfall ist das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ausgeschöpft, soweit die durch die Bauordnung vorgegebenen Bedingungen (Maximalhöhe und Maximallängen) eingehalten werden. Allerdings kann im Einzelfall eine weitergehende Rücksichtnahme durch den Nachbarn verlangt werden, insbesondere dann, wenn die in §34 BauGB geforderten gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse in erheblichem Maße beeinträchtigt werden.
Ziel dieser Regelung ist es, die Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke zu erhöhen, dabei aber die Belastung des einzelnen Nachbarn in einem zumutbaren Rahmen zu halten, einen Einmauerungseffekt für das Baugrundstück selbst und für die Nachbargrundstücke zu vermeiden.
Das für die Grenz- oder grenznahe Bebauung vorgesehene Gebäude darf dabei die Gebäudehöhe von 3 m im privilegierten Bereich nicht überschreiten. Das heißt, die Wandhöhe ist nicht nur auf der Grundstücksgrenze zu bestimmen, sondern bei Dächern sind fiktive Wandhöhen auch für den First oder Dachaufbauten zu bestimmen. Keine der im geschützen 3m-Bereich liegenden Wandhöhen, weder die der Außenwand noch der fiktiven Innenwände, darf die maximal zulässige Höhe von 3 m überschreiten.
Die Beschränkung der zulässigen Grenzbebauung auf Garagen und Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume schließt anderweitige Nutzungen aus. Auch eine nachträgliche Nutzungsänderung ist ohne besondere Regelungen zu den damit neu entstehenden Abstandsflächen nicht genehmigungsfähig. Insbesondere die teilweise Nutzung des grenzständigen Gebäudes als Dachterrasse oder Balkon ist unzulässig.
Die Nutzung des privilegierten Gebäudes soll schonend ausgeübt werden. Entscheidungen von Verwaltungsgerichten werteten eine gewerbsmäßige oder auch die Nutzung einer Grenzgarage als Hobbywerkstatt als eine dem Nachbarn nicht zumutbare Belästigung. Auch sind die maximal zulässige Höhe überschreitende Bauteile, zum Beispiel Solaranlagen oder Satellitenschüsseln, nach dem Brandenburger Baurecht nicht zulässig. Selbst das Aufstellen von beweglichen Objekten sollte auf dem Dach einer Grenzbebauung vermieden werden, da sie das Nachbargrundstück zusätzlich verschatten und damit das Gebot der Rücksichtnahme verletzen.
Die Dachform einer privilegierten Grenzbebauung wird in der Regel als Flachdach, oder zum eigenen Grundstück geneigt ausgeprägt. Bei Dächern, deren Gefälle in Richtung der Grundstücksgrenze verläuft (Abb. 17h), sind besondere Vorkehrungen zu treffen, die eine Entwässerung auf dem eigenen Grundstück ermöglichen. Eine über die Grundstücksgrenze hinweg angebrachte Dachrinne ist unzulässig.
Die Einbeziehung einer Grenzbebauung unter das Dach des Hauptgebäudes ist unzulässig (Abb. 17l). Wird eine bauliche Anlage unter das Dach des Hauptgebäudes einbezogen, hat es bei offener Bauweise den erforderlichen Grenzabstand einzuhalten.
Die Errichtung einer funktional selbständigen bauliche Anlage, die die sonstigen Bedingungen des Absatzes 10 einhält, ist zwischen Grundstücksgrenze und Hauptgebäude zulässig (Abb. 17m). Das Hauptgebäude hat dabei den erforderlichen Grenzabstand einzuhalten.
Bei der Anordnung von Garagen und Stellplätzen auf dem Grundstück ist zusätzlich der §43 Abs.6 zu beachten:
BbgBO §43 (6) Stellplätze und Garagen müssen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört.
Demzufolge sind Garagen, Carports und Stellplätze mit ihren Zufahrten auf dem der Straße zugewandten Grundstücksteil zu errichten, damit die rückwärtigen Flächen der Nachbargrundstücke, die in der Regel der Ruhe und Erholung dienen, nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Dies gilt ebenso für Abstellplätze für Fahrräder.
Im Übrigen müssen Garagen gemäß der Brandenburgischen Garagen- und Stellplatzverordnung einen Mindestabstand von 3 m zur Fahrbahnkante einer nicht nur mit mäßiger Geschwindigkeit befahrenen öffentlichen Verkehrsfläche halten.
BbgBO §6 (11) Die Bebauung nach den Absätzen 9 und 10 ist in der Abstandsfläche eines Gebäudes auf dem gleichen Grundstück ohne eigene Abstandsfläche zu diesem Gebäude zulässig, wenn die Belichtung von Aufenthaltsräumen nicht beeinträchtigt wird.
Entscheidend für die Ausnahmeregelung nach Abs. 11 ist die Anordnung der Fenster von Aufenthaltsräumen. Sie sollen nicht im Bereich der sich überdeckenden Abstandsflächen liegen.
Änderung von Gebäuden
BbgBO §6 (12) Die sich bei Änderung rechtmäßig errichteter Gebäude ergebenden Abstandsflächen sind unbeachtlich, soweit die für den Gebäudebestand ermittelten Abstandsflächen nicht überschritten werden oder Gebäudeteile für sich genommen die Abstandsflächen einhalten. Satz 1 gilt für die Nutzungsänderung rechtmäßig errichteter Gebäude, ausgenommen Garagen und Nebengebäude nach Absatz 10 Satz 1, wenn die geänderte bauliche Nutzung nach Art und Maß zulässig ist. Vor Erlöschen des Bestandschutzes rechtmäßig errichteter Gebäudebestand gilt hinsichtlich der Anwendung der Sätze 1 und 2 weiter als rechtmäßig errichtet.
Der Absatz 12 betrifft Veränderungen an bestehenden Gebäuden, wenn deren Abstandsflächen die Grundstücksgrenze überschreiten oder sich mit anderen Abstandsflächen überdecken. Gemäß der hier getroffenen Regelung ist keine nachträgliche Sicherung der Abstandsflächen nach Abs.2 Satz 4 notwendig, wenn die veränderte Abstandsfläche nicht die bereits vorhandene überschreitet. Auch bedarf es keiner Abweichungsgenehmigung nach §60 BbgBO. Der Nachbar hat die bauliche Änderung hinzunehmen, wenn sie ihn nicht anders oder stärker belastet als der Gebäudebestand.
Eine Nutzungsänderung von grenzständigen Garagen und Nebengebäuden ohne Abstandsflächen ist aber unzulässig, da sie dadurch ihr Privileg der zulässigen Grenzbebauung verlieren würden.
Abstandsflächen von Windkraftanlagen
Auch von Windkraftanlagen, insbesondere von deren Rotorblättern, gehen Wirkungen wie von Gebäuden aus. Somit sind auch für diese baulichen Anlagen Abstandsflächen zu den Grundstücksgrenzen einzuhalten.
Als Bezugskörper wird die (oben und unten abgeflachte) Kugeloberfläche angenommen, die von den umlaufenden Rotorspitzen beschrieben wird. Der Radius RA der Kugel um die Turmachse wird mit der Formel 20.1 aus der Exzentrizität des Rotors e und aus der Länge des Rotorblattes RR berechnet. Ausgehend von der Turmachse beschreibt der Radius RA auch zugleich die vom Rotor überstrichene Fläche (Radius der Projektion der Windkraftanlage).
Ausgehend von der gemäß Absatz 5 geltenden Abstandsflächentiefe ergibt sich der Steigungswinkel α. Aus diesem ergibt sich auch die Konstante im dritten Glied der Formeln 20.22, 20.32 und 20.42, mit denen der Radius der Abstandsflächentiefe um die Turmachse berechnet wird.
Windkraftanlagen befinden sich in der Regel in Sondergebieten im Außenbereich. Unter Umständen ist mittels einer im folgenden Absatz beschriebenen Abweichungsgenehmigung eine Reduzierung der Abstandsflächen auf die vom Rotor überstrichene Fläche möglich.
Zulassung von Abweichungen
- dem Schutzziel der jeweiligen Anforderung entsprechen,
- unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des §3 Abs. 1, vereinbar sind. Satz 1 gilt entsprechend für die Teilung eines Grundstücks, das bebaut oder dessen Bebauung genehmigt ist.
Abweichungen von den Bestimmungen des Bauordnungsrechts können auf Antrag zugelassen werden. Auch im Rahmen einer Baugenehmigung ist ein Abweichungsantrag gesondert zu stellen.
Die Abweichung muss dem Schutzziel der jeweiligen bauaufsichtlichen Anforderung in gleicher Weise entsprechen, es dürfen die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nicht beeinträchtigt werden und sie muss mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein. Da die Abstandsflächenvorschrift des § 6 den Rahmen des dem Nachbarn Zumutbaren detailiert vorgibt, ist eine Zulassung ohne Zustimmung des betroffenen Nachbarn nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt.
Insbesondere dann, wenn sich die aus der Abweichung ergebende Benachteiligung die gleiche ist, wie bei einer Bebauung ohne Abweichung, ist eine Zulassung im Einzelfall möglich. Eine Abweichungsgenehmigung kann auch erteilt werden, wenn sich die Beeinträchtigung nur daraus ergibt, dass der Nachbar seinerseits einen dem aktuellen Baurecht widersprechenden Zustand geschaffen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Nachbargebäude rechtskonform zu älteren Rechtsvorschriften errichtet worden ist und somit Bestandsschutz genießt.
Im Fallbeispiel 1 (Abb. 21a) ist eine Abweichung von der Regel denkbar, dass die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst zu liegen haben. Der durch die Abstandsflächen betroffene Grundstücksteil des Hinterliegergrundstücks kann in keinem denkbaren Fall baulich oder für eigene Abstandsflächen ausgenutzt werden, die betroffene Fläche dient ausschließlich als notwendige Zufahrt zum Gebäude.
Im Beispiel 2 (Abb. 21b) ist die Zulassung einer Abweichung vom Überdeckungsverbot möglich, da der Nachbar seinerseits die Abstandsflächen nicht einhält. Dabei ist es unerheblich, ob das Bestandsgebäude nach seinerzeits geltenden Abstandsflächenregeln rechtmäßig errichtet worden ist.
Abstandsflächen bei Grundstücksteilungen
Das Abstandsflächenrecht ist nicht nur bei der Einordnung von Bauvorhaben zu beachten. Auch bei der Teilung von Grundstücken sind diese Vorschriften maßgebend.
BbgBO §4 (3) Durch die Teilung eines Grundstückes, das bebaut oder dessen Bebauung genehmigt ist, dürfen keine Verhältnisse geschaffen werden, die den Vorschriften dieses Gesetzes oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften, insbesondere den Vorschriften über die Abstandsflächen, den Brandschutz und die Erschließung, zuwiderlaufen...
Die neuen Grundstücksgrenzen müssen unter anderem so gebildet werden, dass die Abstandsflächen der Gebäude auf dem zum Gebäude gehörigen Grundstück zu liegen kommen. Die Abstandsflächen können im Ausnahmefall auch durch die neue Grundstücksgrenze geschnitten werden, hierzu ist eine rechtliche Sicherung analog zu §6 Abs.2 Satz 4 notwendig. Die Bauaufsichtsbehörde ist an dem Verwaltungsverfahren zu beteiligen, u.U. ist eine Abweichungsgenehmigung der Bauaufsichtsbehörde notwendig.
Zur Beantragung einer Abweichungsgenehmigung ist in der Regel die Vorlage eines Amtlichen Lageplans notwendig, der die Grundstückssituation, die Gebäude und deren Abstandsflächen und die beantragten neuen Flurstücksgrenzen darstellt.
Das Fenster- und Lichtrecht des Nachbarrechts
Im Gegensatz zu dem Abstandsflächenrecht, das aus öffentlich-rechtlicher Sicht insbesondere auf die Sicherung der gesunden Lebens- und Arbeitsverhältnisse abziehlt, will das Fensterrecht des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetzes Belästigungen einschränken, die mit der Einsichtsmöglichkeit vom Nachbargrundstück verbunden sind. Das Lichtrecht will Gewähr leisten, das durch einen nachbarlichen Neubau den in Grenznähe vorhandenen Fenstern das notwendige Licht belassen wird.
BbgNRG §20 Inhalt und Umfang
(1) In oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60° zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, dürfen Fenster, Türen oder zum Betreten bestimmte Bauteile wie Balkone und Terrassen nur mit schriftlicher Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks angebracht werden, wenn ein geringerer Abstand als 3 m von dem grenznächsten Punkt der Einrichtung bis zur Grenze eingehalten werden soll.
(2) Von einem Fenster oder einem zum Betreten bestimmten Bauteil, dem der Eigentümer des Nachbargrundstücks schriftlich zugestimmt hat oder das nach dem bisherigen Recht angebracht worden ist, müssen er und seine Rechtsnachfolger mit einem später errichteten Bauwerk mindestens 3 m Abstand einhalten. Dies gilt nicht, wenn das später errichtete Bauwerk den Lichteinfall nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt.
Das Fensterrecht des Absatzes 1 regelt den Grenzabstand von Fenstern, Türen und zum Betreten bestimmter Bauteile wie Balkone, Loggien, Galerien, Veranden, Erker, Terassen und ähnlicher Einrichtungen, wenn sie Ausblick auf das Nachbargrundstück gewähren. Mit den genannten Bauteilen ist grundsätzlich ein Abstand zur Nachbargrenze von 3 m einzuhalten. Bezugspunkt ist die grenznächste Stelle des Bauteils, bei Fenstern und Türen nicht das Mauerwerk der Wandöffnung, sondern der Fenster- oder Türrahmen. Bei Balkonen und Terassen gilt die Außenkante der betretbaren Fläche als Bezug.
Der Grenzabstand ist horizontal und rechtwinklig zur Grundstücksgrenze zu bestimmen. Von der Regelung erfasst sind nur Bauteile, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60° zur Grenze des Nachbarn verlaufen.
Das Mindestmaß von 3 m gleicht der Mindestabstandsflächentiefe der Bauordnung. Auch durch die unterschiedlichen Maßbezüge entstehen in der Regel keine Konflikte zwischen den öffentlich-rechtlichen Anforderungen der Bauordnung und den privatrechtlichen Ansprüchen aus dem Nachbarrecht. Die Anforderungen des Fenster- und Lichtrechts kommen aber dann in Betracht, wenn die Bagatellregelung, die Regelung für untergeordneter Bauteile oder die Zulassung von Abweichungen in Anspruch genommen werden sollen. Soweit damit die Anforderungen des Nachbarrechtgesetzes unterschritten werden sollen, ist die schriftliche Zustimmung des Nachbarn erforderlich. Auch die Unterzeichnung der Bauunterlagen durch den Nachbarn genügt.
Gemäß dem Lichtrecht des Absatzes 2 ist ein Nachbar verpflichtet, einem im 3m-Schutzbereich befindlichen Fenster, dem er zugestimmt hat, das notwendige Licht zu belassen. Er muss mit einem später zu errichtenden Bauwerk 3 m Mindestabstand zum Fenster halten. Selbiges gilt, wenn er vor einem Fenster bauen will, dass nach bisherigen Recht angebracht worden ist.
Das Lichtrecht genießen Fenster und begehbare Bauteile, vor Türen ist kein zwingender Abstand zu halten.
Eine Zustimmung nach §20 ist nicht erforderlich
- für lichtdurchlässige Wandbauteile, wenn sie undurchsichtig, schalldämmend und gegen Feuereinwirkung widerstandsfähig sind,
- für Außenwände gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von jeweils mehr als 2 m Breite,
- soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften Fenster und Türen angebracht werden müssen und
- wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Der § 21 regelt die Ausnahmen vom Licht- und Fensterrecht. Ebenso kommen gemäß § 3 des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetztes die Regelungen nicht zur Geltung, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften wie etwa ein Bebauungsplan oder bestandskräftige Verwaltungsakte wie eine Baugenehmigung oder eine Abweichungsgenehmigung dem entgegenstehen.
(1) Der Anspruch auf Beseitigung einer zustimmungsbedürftigen Einrichtung, die einen geringeren als den in §20 vorgeschriebenen Abstand hat, ist ausgeschlossen, wenn nicht bis zum Ablauf des auf die Anbringung der Einrichtung folgenden Kalenderjahres Klage auf Beseitigung erhoben worden ist.
(2) Der Anspruch auf Beseitigung einer Einrichtung, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden ist, ist ausgeschlossen, wenn
- ihr Abstand dem bisherigen Recht entspricht oder
- ihr Abstand nicht dem bisherigen Recht entspricht und nicht bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres Klage auf Beseitigung erhoben worden ist.